Geschichte der St. Michaels-Kirche

1382

 

Die erste Kunde erhalten wir aus zwei in lateinischer Sprache abgefassten Urkunden, die sich heute im nordrheinwestfälischen Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf befinden. Die erste Urkunde ist vom 4. August 1381. Es handelt sich um ein Schreiben, in dem Erzbischof Friedrich von Köln die Pfarrer von Willich und Nieukerk auffordert, die von Arnold von Wachtendonk und anderen Personen vorgesehenen Schenkungen zu Gunsten der in Wachtendonk errichteten Kirche zu überprüfen. 

In dieser Urkunde heißt es:  
"Zum Heile und zur Rettung ihrer Seelen wollen sie die in der genannten Stadt neu errichteten Kapelle mit einigen bestimmten Erbgütern, Einkünften und Besitzungen ausstatten und wünschen die Umwandlung dieser Kapelle in ein immerwährendes kirchliches Benefiz. Deshalb bitten sie Uns, kraft Unserer Amtsgewalt diese Schenkung zu genehmigen, der Kapelle diesen und noch anderen Besitz, der ihr künftig in frommem Sinn geschenkt werden soll, zuzuwenden und ihm die kirchliche Immunität zu verleihen, ferner die Kapelle selbst zu einem immerwährenden kirchlichen Benefiz zu erheben." (Quelle: Henrichs, Leopold "Geschichte der Stadt und des Landes Wachtendonk, (Hüls 1910, S. 465)


Am Mittwoch nach dem Fest der Himmelfahrt Marias 1382 wird die Schenkung beurkundet. Es wurde ein Haus in Wachtendonk und 22 Morgen Ackerland in Geisseren übertragen. Das Haus lag in der Nähe der Kirche und das Land in der Gegend des Loeweges. Die Schöffen der Stadt bestätigten die Schenkung durch ihr Siegel.


Die Kirche unterstand, da das Gebiet der Stadt Wachtendonk kirchenrechtlich zur Pfarrgemeinde Wankum gehörte, dem Pfarrer zu  Wankum. Die Pfarrechte für das Gebiet der Stadt Wachtendonk wurden jedoch vermutlich nach dem Ausbau der Kirche von der Pfarre Wankum auf die Pfarre Geisseren übertragen.
Im Jahre 1382 dürfte die Kirche bereits aus Chor,  Lang- und Querbau bestanden haben. Das Chor der Kirche ist der älteste Teil und ist vermutlich bereits 1361 durch den Vater des Arnold von Wachtendonk, der auch Arnold hieß, erbaut worden.

 

Dass die Kirche auch nach dem Ausbau im Jahre 1382 noch Kapelle genannt wurde, ist auf die fehlenden Pfarrrechte zurückzuführen. Die Pfarrkirche zu Geisseren trug nach dem Verlust eben dieser Rechte ebenfalls nur noch den Namen Kapelle. Wie sich aus der Urkunde von 1382 ergibt, wurde die Kirche "zur Ehre der heiligen Dreifaltigkeit, aller Heiligen und besonders zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria, der glorreichen Gottesgebärerin" gebaut. die erste bekannte schriftliche Mitteilung des Patronats St. Michael stammt aus dem Jahre 1419. (Quelle: Wensky, Margret, Rheinischer Städteatlas Wachtendon, Köln 1980, S. 6)


1438


Am 25. Januar 1438 genehmigte Herzog Arnold von Geldern einen zwischen Wymar Grüter, Pfarrer zu Geisseren und Propst zu Kaiserswerth, und den Bürgermeistern, Schöffen, Rat und der ganzen Gemeinde Wachtendonk geschlossenen Vertrag zur Verlegung der Pfarrechte von Geisseren nach Wachtendonk. 

 

Tatsächlich wurden die Pfarrrechte jedoch erst 1449 auf die Kirche in der Stadt übertragen. Der Grund ist nicht bekannt. In einer Urkunde vom 4. Fastensonntag 1449 gestattete der Herzog Johann von Kleve, an den die Herrlichkeit Wachtendonk inzwischen verpfändet war, die Verlegung. Da der 1454 verstorbene Pfarrer Johannes Siberti Pfarrer von Wachtendonk und nicht mehr Pastor von Geisseren genannt wird, sind die Pfarrrechte wohl unmittelbar nach Abschluss des Vertrages übergegangen. (Quelle: Henrichs, Leopold "Geschichte der Stadt und des Landes Wachtendonk, (Hüls 1910, S. 84f)


1516


Die Stadt Wachtendonk wurde am  31. Oktober 1516 durch eine Feuersbrunst zur Hälfte zerstört. Mit Sicherheit wurde auch die Kirche beschädigt, da aus einem Schöffen-Protokollbuch hervorgeht, dass am 10. März 1520 der Herzog Karl von Geldern die Genehmigung erteilte, hundert holländische Morgen Gemeindeboden der Kirche zu verkaufen. Mit dem Erlös wurden vermutlich die Schäden an und in der Kirche behoben.
Es war damals üblich, dass sich Adelige und Begüterte Begräbnisstätten in Kirchen errichteten. Der damalige Drost  von Wachtendonk, Otto Schenk von Nideggen, legte auf der Nordseite der Kirche zwei Grabkeller an und ließ darüber eine Kapelle errichten. Es handelt sich um die heutige Taufkapelle.  Otto Schenk von Nideggen wurde als erster in der Kapelle beigesetzt. Der schöne Grabstein ist noch heute an der Westseite der Taufkapelle zu finden. Die Umschrift auf der Grabplatte lautet:  "Int jair ons here MCCCCCXVIII den XIII den dach van aprill starff her Ott schenk van nydeggen. Ritter here tot Walbeck  (Rest unleserlich)" Es liegen schriftliche Zeugnisse vor, dass mehrere aus dem Geschlecht der Nideggen in der Gruft beerdigt wurden. Entsprechende Grabplatten sind jedoch in der Kirche nicht mehr vorhanden.


1543


König Philipp II traf am 7. August 1559 eine Anordnung zur Veränderung der  Bistumsgrenzen. Aufgrund dieser Anordnung kam Wachtendonk, das bisher zur Erzdiözese Köln gehört hatte, 1561 an das Bistum Roermond.


1578


Anfang 1578 wurde Wachtendonk von den reformierten Provinzen erobert. Schon bald danach übernahmen die Calvinisten die Kirche und verboten den Katholiken, ihre Religion auszuüben. Im März 1578 versuchte Graf Johann von Nassau, Statthalter des Gelderlandes, die reformierte Religion einzuführen. So hatten die Städte Geldern und Wachtendonk und  einige Dörfer in der Vogtei Geldern die reformierte Religion angenommen.

Ab August 1578 durfte die Kirche ca. 5 Jahre lang  von den Katholiken mitbenutzt werden. (Quelle: Henrichs, Leopold).  Im Jahre 1580 wurde das gesamte Inventar der Kirche zerstört. (Quelle Clemen, Paul). Die Altäre wurden abgebrochen, die Heiligenbilder von den Pfeilern und Sockeln geworfen und verbrannt. Ab August 1583 war die Ausübung der katholischen Religion gänzlich verboten. Die Geistlichen und Ordensleute mussten fliehen, da ihr Leben in Gefahr war. Der damalige Pastor Edmund Eykens flüchtete zur Honschaft Gelinter und verbarg sich 5 Jahre auf Pixiusgut. (Quelle: Henrichs, Leopold).


1588


1588 wurde Wachtendonk durch den in spanischen Diensten stehenden Grafen Peter Ernst von Mansfeld zurück erobert. die reformierte Lehre wurde verboten. Pfarrer Eykens kehrte aus dem Exil zurück.


1600


Am 23. Januar 1600 eroberten die Generalstaten Wachtendonk und Gouverneur Rynhoven ließ sofort die katholische Konfession verbieten. Die Reformierten übernahmen wieder die Kirche, die Altäre wurden abgebrochen und Klosterschwestern und Geistliche flohen erneut aus der Stadt.


1605


Wachtendonk war Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts eine stark umkämpfte Festung. Zu dieser Zeit bot die Pfarrkirche zu Wachtendonk einen jämmerlichen Anblick. Die heiligen Orte waren zusammengestürzt oder profanisiert, die Altäre abgebrochen und die Sakramente entehrt. Im Oktober 1605 gelangte Wachtendonk wieder in spanischen Besitz. Die Renovierung der Kirche hat dann einige Jahre in Anspruch genommen.


1708


Am 14.08.1708 brach in Wachtendonk ein Brand aus, bei dem auch die Kirche stark beschädigt wurde. Der Turm und das Dach brannten ab und die vier Glocken schmolzen teilweise,  teilweise fielen sie in Stücken herunter. Auch das Innere der Kirche war in einem derart schlechten Zustand, dass längere Zeit kein Gottesdienst darin stattfinden konnte. Für die Renovierung der Kirche wurden erhebliche Mittel benötigt. Aus den Resten der vier Glocken wurden zwei neue Glocken und ein Messglöckchen gegossen. 


1794


Nachdem Napoleon Bonaparte die Macht in Frankreich übernommen hatte, schloss er durch ein Konkordat mit der katholischen Kirche Frieden. Im Rahmen dieses Konkordats wurden neue Bistümer eingerichtet. Wachtendonk kam zum Bistum Aachen, dessen erster Bischof Markus Antonius Berdolet wurde. Dieser Bischof verhalf den Wachtendonkern zu einem neuen Hochaltar. Sie erhielten ihn von der Karmeliterkirche zu Köln zum Geschenk. 


1814


Nach der Vertreibung der Franzosen übernahmen die Preußen die Herrschaft in Wachtendonk. Im Juli 1821 wurde das Bistum Aachen aufgehoben. Wachtendonk gehörte von nun an zum Bistum Münster. In diesem Jahr wurde der Friedhof an der Sebastianuskapelle wieder hergerichtet und der Friedhof an der Kirche geschlossen. (Quelle: Henrichs, Leopold)


1872


Am Fronleichnamstag 1872 brannte der Kreuzaltar. Dieses Feuer wurde durch Leichtsinn verursacht. Man hatte vor Beginn der Prozession eine noch glimmende Kerze auf das morsche Holz des Altars gelegt. Im August 1876 wurde ein neuer gotischer Kreuzaltar  aufgestellt. Dieser Altar und der anlässlich des 60-jährigen Priesterjubiläums des Pfarrers Mooren angeschaffte Marienaltar wurden von den Gebrüdern Kramer aus Kempen angefertigt. Zu den Seitenaltären kamen neue Stationsbilder, drei Beichtstühle,  5 Kirchenfenster und eine Orgel. Unter dem Nachfolger von Pfarrer Mooren, Pastor Gotzes, erhielt die Kirche in den Jahren 1889 - 1890 u. a. eine neue Kommunionbank und eine Kanzel. Von der Kommunionbank sind leider nur noch zwei Bilder vorhanden, die im südlichen Seitenschiff hängen. Von der Kanzel sind lediglich die 4 Evangelisten noch vorhanden. Diese zieren heute den Ambo.


1914


Die Kirche musste im Weltkrieg 1914-1918 für den Guss neuer Kanonen eine Glocke abgeben. 1927 erhielt die Kirche als Ersatz eine neue Glocke, die so genannte Karlsglocke. 1937 - 1939 wurden die heute noch vorhandenen Kirchenbänke von einheimischen Schreinern angefertigt.

Im 2. Weltkrieg,  am 08. März 1942, mussten die Michaels- und Sebastianusglocken an der Sammelstelle in Geldern zum Guss von Kanonen abgegeben werden. Die Kriegsschäden an Turm- und Kirchendach wurden von August bis September 1947 behoben, die Chorfenster wurden im Jahr 1948 erneuert. Die Michaelsglocke kam im Oktober 1949 aus Hettstedt im Harz zurück. Die Sebastianusglocke kam nicht mehr zurück, sie wurde vermutlich eingeschmolzen.


1954


In den Jahren 1954/55 wurde das Innere der Kirche renoviert. Der Zeit entsprechend wurde alles schlicht und einfach gehalten. Die ganze Kirche wurde in grau-weiss gestrichen. Durch die Liturgiereform erfolgte eine Neuordnung des Chorraumes. Der Hochaltar wurde zum Tabernakel. Der Zelebrationsaltar (Altartisch) kam an die Stelle der früheren Kommunionbank. Die Kommunion wird seither an der Altarstufe ausgeteilt.

Die Kanzel wurde durch das Ambo ersetzt und die beiden Querschiffe wurden mit Bänken bestückt. 

 

Am 4. Adventssonntag 1955 wurden 3 neue Glocken gesegnet, die durch die Initiative von  Kaplan Maghs angeschafft werden konnten. Das Geläut besteht heute aus 4 Glocken, St. Michaels-Glocke, angeschafft 1710 und die Karl-Glocke,  Marien-Glocke und St. Sebastianus-Glocke, angeschaftt 1955.


1972


Im Jahre 1972 wurde mit  einem 5-Jahresplan die dringend notwendige Renovierung der Kirche begonnen.

 

Nachdem der Koksschuppen und der Sakristeiwindfang abgebrochen waren, wurde das gesamt Mauerwerk der Kirche durchgesägt und gegen Feuchtigkeit isoliert. Die Fußbodenplatten wurden entfernt, ein Betonboden eingezogen und die Fußbodenheizung eingebaut. Danach wurde die Kirche mit Namurer Blaustein ausgelegt.

 

Der schadhafte Putz wurde ausgebessert und mit den Malerarbeiten begonnen. Beim Anstrich entdeckte man, dass über den Seitenaltären Wandgemälde verborgen waren. Es handelte sich um die im Jahre 1954/55 überstrichenen Gemälde. Das Gemälde über dem Kreuzaltar wurde restauriert, das über dem Annaaltar war zunächst leider nicht mehr zu retten.

 

Am 13. August 1977 konnte in der  restaurierten Kirche wieder uneingeschränkt Gottesdienste gefeiert werden.

 

Quelle: Broschüre:600 Jahre Kirche Wachtendonk von Willi Gerritzen und Johannes Drießen